Hexenverfolgung
Jahr 1482. Ich stehe in der Küche und bereite gerade
das Frühstück vor, als ich einen lauten Knall höre. Plötzlich ertönen laute
Stimmen und Fußgetrappel. Erschrocken lasse ich den Teller, den ich in der Hand
halte, fallen. Klirrend fällt er zu Boden und zerbricht in tausend Scherben.
Ich bin wie erstarrt, denn ich weiß, was jetzt passieren wird. Ich habe das
schon unzählige Male beobachtet. Ich wurde als Hexe angeklagt!
Grob
werde ich vor den Hexenrichter gezerrt. Ich bin dreckig, meine Haare sind
zerzaust und verknotet und meine Hände sind mit rauen Seilen gefesselt, die
meine Handgelenke blutig scheuern. Zitternd falle ich auf die Knie. Während mir
unaufhörlich Tränen über das Gesicht laufen und meinen Blick verschleiern,
meldet sich der Hexenrichter zu Wort: „Katharyna Hengest, sie wurden angeklagt
wegen der Verfluchung und Ermordung des Kindes ihrer Schwester, der Verfluchung
und die dadurch entstandene Erkrankung ihres Ehemannes, dem Fliegen auf einem
Besen zum Hexensabbat und zu Letzt…“, er geht mit schnellen Schritten zu mir
und reißt den Stoff meines Kleides an meiner Schulter auf. „…wegen dem Tragen
des Hexenmals!“ Verwundert schaue ich auf meine Schulter. Dieses Muttermal
trage ich schon seit ich denken kann.
„Des
übrigen wurden diese Aussagen von Apollonia Brandeizere unter leichter Folter
und von Malek Nowak ohne Folter bestätigt. Gestehst du?“
Kaum
merklich schüttle ich den Kopf.
"Dann
tut eure Arbeit!“, ruft der Hexenrichter schadenfreudig jemandem hinter mir zu.
Man zwingt mich, aufzustehen und mich umzudrehen. Als ich sehe, wer und was
hinter mir steht, gefriert mir das Blut in den Adern. Da stehen unzählige
Folterwerkzeuge und daneben ein riesiger, muskulöser Mann. Der Folterknecht,
schießt es mir durch den Kopf. Die Männer die mich halten, zerren mich zu ihm
hin. Schwach versuche ich mich zu wehren, doch ich habe keine Chance gegen diese
starken, grausamen Monster. Sie fesseln mich mit den Hand- und Fußgelenke auf
eine Art Metallbank. Ich zittere und mir laufen immer noch Tränen über die
Wangen. Aus den Augenwinkel sehe ich etwas glänzen. Ohne Vorwarnung spüre ich
wie sich etwas in meinen Bauch gräbt. Ich keuche auf und kann nicht verhindern,
dass ich schreie und kreische. Ich spüre wie eine warme Flüssigkeit aus schmerzhaften
Wunden über meinen Bauch fließt. Ich schreie und winde mich vor Schmerzen und
zerre an den Fesseln, die mich festhalten. Neue Tränen laufen mir über die
Wangen. Dumpf höre ich jemanden lachen: „Wirst du jetzt gestehen?“
„Ich…bin...keine
Hexe!“, stoße ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Aus Angst vor
Schmerzen wieder zu brüllen, presse ich die Kiefer aufeinander. Ein raues
Lachen erklingt und ich höre Schritte. Langsam öffne ich meine Augen, die ich
aus Furcht vor der neuen Foltermethode zusammengekniffen hatte. Über mir steht
der Folterknecht und hält etwas silbrig Glänzendes in der Hand. Er greift nach
meinen Handgelenk hält es mit einem eisernen Griff fest. Dann wird mein Daumen
von etwas kaltem umschlossen. Ich zapple herum und versuche meine Hand zu befreien. Und dann spüre ich den Schmerz.
Er ist unerträglich. Ich merke, dass ich gleich mein Bewusstsein verliere. Dumpf nehme ich meine eigenen Schreie wahr.
Plötzlich wird es dunkel…
Das erste was ich spüre, ist der
harte Steinboden unter mir. Ich mache die Augen auf und blicke auf eine Decke
aus Stein. Langsam stehe ich auf. Der Raum ist gerade mal hoch genug, dass ich
stehen kann. Auf einmal kehren die Erinnerungen und damit auch der Schmerz
zurück. Ich schreie und sinke zu Boden. Vorsichtig schaue ich runter auf meine
Hand, die ich in der Dunkelheit kaum sehen kann, und zucke zusammen. Sie ist
blutüberströmt und meinen Daumen gibt es praktisch nicht mehr.
Dann höre ich ein bekanntes, raues
Lachen: „Wieder wach?“
Suchend blicke ich mich in meiner
kleinen Zelle um. Als meine Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen, erblicke ich
eine Gestalt hinter den Gitterstäben. Der oberste Hexenrichter!
„Gestehst du jetzt?“, fragt er.
„Nein!“, hauch ich so leise, dass man
es kaum versteht.
Wütend blickt er mich an und ruft: „Holt
sie da raus! Wir machen weiter!“
Grob werde ich aus der Zelle in den
Folterraum gezerrt. Dort werde ich gezwungen, vor einem langen Holzpfahl auf
die Knie zu gehen. Meine Hände werden an den Pfahl gefesselt. Plötzlich höre
ich hinter mir ein Surren, als würde etwas durch die Luft gepeitscht werden.
Und dann trifft es mich am Rücken. Völlig unerwartet! Ich bäume mich auf und
schreie. Ich zerre an meinen Fesseln und fühle, wie das Blut über meinen Rücken
läuft. Und dann trifft die Peitsche mich wieder. Und wieder durchzuckt mich
dieser unerträgliche Schmerz. Die Peitsche saust auf mein Rücken. Und wieder
und wieder und wieder…
Ich kann gar nicht mehr aufhören zu schreien
und weinen. Als ich halb ohnmächtig in meinen Fesseln liege, höre ich dumpf den
Hexenrichter fragen, ob ich gestehen möchte. Trotz der schrecklichen Schmerzen
versuche ich einen klaren Kopf zu behalten. Eins weiß ich: Ich kann keine
weiteren Schmerzen ertragen! Plötzlich trifft die Peitsch wieder meinen Rücken.
Ich schreie auf. Zornig schreit der Hexenrichter: „Antworte mir!“
„Ja. Ja, ich bin eine Hexe…“, schluchze
ich verzweifelt. Kaum noch bei Bewusstsein höre ich wie der Hexenrichter freudig
ruft, dass man den Scheiterhaufen für morgen Vormittag vorbereiten soll. Dann
wird wieder alles dunkel um mich. Vage spüre ich wie ich hoch genommen werde…
Ich habe mich in der hintersten Ecke
des Karrens versteckt, mit dem ich zu meinem Ende gefahren werde. Ich habe die
Augen geschlossen und halte mir die Ohren zu, aber trotzdem höre ich die
schlimmen Beleidigungen, die mir die Menge zuruft: „Monster!“-„Abschaum!“-„Mörderin!“
Ich spüre gelegentlich, wie mich
einige der Essensreste, mit denen sie mich bewerfen, treffen. Die Tränen, die
mir unaufhörlich über die Wangen laufen, wollen nicht versiegen. Irgendwann
spüre ich einen Ruck und der Karren bleibt stehen. Vorsichtig öffne ich die Augen und richte mich
auf. Zwei muskulöse Männer packen mich an den Armen und ziehen mich hoch. Widerstandslos
lasse ich mich zum Scheiterhaufen geleiten. Ich weiß, dass ich keine Chance
hab. Man stellt mich mit dem Rücken an einen verrußten Pfahl und bindet meine
Hände dahinter zusammen. Der Holzhaufen zu meinen Füßen wird mit einer
brennbaren Flüssigkeit begossen. Dann wird eine Fackel angezündet. Obwohl ich
weiß, dass es nicht passieren wird, hoffe ich, dass diese schreckliche Fackel
nicht geworfen wird. Der beißende Gestank der Flüssigkeit steigt mir in die
Nase und dann wird die Fackel geworfen. Sie
landet direkt vor meinen Füßen. Das Holz fängt innerhalb weniger Sekunden Feuer
und Flammen steigen empor. Ich schreie und versuche instinktiv mich von den
Fesseln zu befreien. Mein Kleid fängt Feuer und verbrennt mir die Haut. Die
Flammen lecken an meine Füße und vor Schmerzen spüre ich schon die Hitze nicht
mehr. Ich hoffe, dass es schnell vorbeigeht. Mein größter Wunsch ist momentan
der Tod! Die Flammen schießen immer höher und schließen mich ein. Sie berühren
meine Haut und hinterlassen schwere Verbrennungen und große Schmerzen. Meine
Stimme ist schon ganz heiser von Schreien und meine Tränen verdampfen durch die
Hitze. Wie schön es jetzt doch wäre, keine Schmerzen zu empfinden. Ich fühle,
dass ich einer Ohnmacht nahe bin. Ich höre nur noch gedämpft, wie die Menge
schreit. Nach einer Weile spüre ich die Schmerzen kaum noch. Ich weiß, dass der
Tod nicht mehr lange auf sich warten lässt. Das Letzte, was ich neben dem
Prasseln des Feuers höre, ist das Johlen der Menge, bevor ich zusammenbreche.
Dann wird es endgültig schwarz vor meinen Augen…
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