Wolf im Schafspelz

Wolf im Schafspelz


Mein Freund Abel hat mich heute auf eine Party eingeladen. Nervös schaue ich auf die Uhr. Verdammt, denke ich, fast achtzehn Uhr. Ich muss mich beeilen. Schnell überprüfe ich mein Make-Up und mein Kleid im Spiegel. Ich bin zufrieden mit meinem Aussehen. Meine dunkelbraunen Haare habe ich zu einem Dutt zusammengebunden, aus dem sich einige Strähnen gelöst haben und mein Gesicht in sanften Locken umschmeicheln. Außerdem habe ich mich dezent, aber gut erkennbar geschminkt. Ich trage das schicke schwarze Kleid, das Abel mir geschenkt hat und kurz über meinen Knien aufhört. Unten höre ich es an Haustür klingen. Vor Aufregung röten sich meine Wangen.
Ich höre wie Mum die Tür aufmacht und sagt: „Sie ist oben in ihren Zimmer.“
„Okay. Danke, Frau Rabbat“, antwortet Abel.
Leise gehe ich die Treppe hinunter, die gerade Abel hoch gehen wollte. Lächelnd sieht er mich an und nimmt mich in den Arm.
„Da bist du ja, meine Süße“, flüstert er in mein Ohr. Gemeinsam gehen wir zu seinem Wagen. Er hält mir die Tür offen, damit einsteigen kann. Dann steigt er auch ein und wir fahren los. Wenige Minuten später sind wir da und Abel führt mich in den Partysaal. Wir amüsieren uns, lachen und quatschen viel. Ein wenig getrunken wird auch noch.
Es war schon lange nach Mitternacht, als Abel mich nach Hause fährt.
„Hey, hast du Lust Donnerstagabend mit mir wieder auf eine Party zu gehen?“, fragt er mich, als ich gerade aussteigen wollte.
„Na klar“, antworte ich sofort und ohne jegliche Überlegung.
„Gut. Ich hole dich dann wieder ab“; sagt er und beugt sich zu mir rüber, um mich zum Abschied zu umarmen. Ich steige aus und gehe rein.

Am Donnerstagabend holt Abel mich wie versprochen ab. Er fährt zum Gruselhaus im Wald.
„Warum sind wir hier?“, frage ich ihn ängstlich.
„Wirst du schon gleich sehen“, antwortet Abel erwartungsvoll.
Ich schlottere vor Angst. Die schwere Holztür des Hauses hängt halb aus den Angeln, die Rollläden klappern unheilvoll im kalten Wind, der Garten ist von Wildblumen und Unkraut überwuchert und die Fenster gibt es praktisch nicht mehr. Abel führt mich in das unheimliche Haus. Drinnen ist es fast stockdunkel und der Wind pfeift durch die Dachdielen und durch die Ritzen fällt etwas Licht hindurch. Vor den Fenstern hängen schwere, mottenzerfressene  Samtvorhänge. Auf einmal steht Abel vor mir. In seiner erhobenen Hand blitzt ein Messer. Ich schreie auf. Ein kalter Schauer läuft mir über den Rücken, während ich verzweifelt nach einem Fluchtweg suche. Doch Abel steht vor der einzigen Tür und somit ist mein Schicksal besiegelt. Ich wollte irgendetwas sagen, was Abel ablenken würde, doch da stößt er mir schon das Messer in die Brust.
„Wenn du jemals dachtest, dass ich dich lieben würde, dann hast du dich ziemlich geschnitten! Nein, ich liebe dich nicht! ICH HASSE DICH!“, schreit er. „Ich hasse dich schon für deine bloße Existenz!“

Das letzte was ich höre, bevor mich die Dunkelheit überwältigt, ist das gehässige Lachen von Abel…

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